Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft (GSI)
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Institutsgeschichte

Die Anfänge

Im Jahre 1472 eröffnete die erste Universität Bayerns - die elfte der aus dem Geist des Frühhumanismus aufsteigenden europäischen Gründungswelle - in Ingolstadt ihre Tore; im Jahre 1802 wurde sie nach Landshut, 1826 schließlich nach München verlegt. Schon und noch in Ingolstadt wurde ein sogenanntes Cameralinstitut eingerichtet. Dieses Cameralinstitut kann als Vorläufer der staatswirtschaftlichen Fakultät gelten, in der die Politikwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ihren ersten akademischen Ort finden sollte.

Besondere Bedeutung kam diesem Institut vor allem deshalb zu, weil der Besuch von Vorlesungen über Kameralwissenschaft für die Studierenden aller Fakultäten obligatorisch war. Außer dem Fiskalbereich (der späteren Finanzwissenschaft) und dem Ökonomiebereich (der späteren Betriebswirtschaftslehre) wurden von den Mitgliedern des Instituts vor allem die Bereiche der "Polizeysachen" und der behördlichen Wirtschaftsverwaltung (der späteren Volkswirtschaftspolitik) sowie auch der Bereich der territorialstaatlichen Innenpolitik (einer Teildisziplin der späteren Politikwissenschaft) gepflegt. Dass auf die Pflege und Weiterentwicklung der kameralistischen Studien größter Wert gelegt wurde, entsprach der praxisbezogenen Ausrichtung der Regierung Montgelas unter Bayerns erstem König Max I., die unter anderem auch in der Begründung der ersten staatswirtschaftlichen Fakultät Bayerns an der Universität Würzburg in den Jahren 1803/05 ihren Ausdruck fand.

Dennoch riss im 19. Jahrhundert die umfassende Tradition der älteren deutschen Politikwissenschaft ab. In Bayern konzentrierte sie sich nunmehr vor allem auf die Agrar- und Forstwissenschaft. Politische Spezialwissenschaften wie die Geschichts- und die Rechtswissenschaft nahmen die Tradition am Rande wieder auf. Nach der Verlegung der - damals 900 Studenten zählenden - Universität durch König Ludwig I. erfolgte ihr Ausbau zur bedeutendsten und studentenreichsten Hochschule Deutschlands nicht zuletzt auch im Hinblick auf eine Fortführung der politikwissenschaftlichen Tradition unter diesen neuen Vorzeichen. Auf den Geschichtslehrstuhl, den er für den wichtigsten hielt, berief Ludwig I. ein Jahr nach der Verlegung der Universität nach München Joseph von Görres, den Herausgeber des "Rheinischen Merkur". In München wurde dieser bedeutende Publizist zum stimmgewaltigen Wortführer des politischen Katholizismus.

Unter Max II., dem die Förderung der Wissenschaft besonders am Herzen lag, der die methodischen Möglichkeiten der Geschichtswissenschaft zum Studium der Politik aber wohl ebenso überschätzte wie sein Vorgänger, wurden weitere prominente Historiker nach München berufen. Der König suchte dabei den Rat Leopold von Rankes, der aber selbst - trotz Einladung zur Übernahme einer Professur an der Münchner Universität - in Berlin blieb. Nach München kam dann dessen Schüler Carl Adolf Cornelius, Wilhelm von Giesebrecht und Heinrich von Sybel, der in der Diskussion um die deutsche Einheit so leidenschaftlich für eine kleindeutsche Lösung eintrat, dass das gute Verhältnis zum König Schaden litt. Im Jahre 1858 wurde an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die Historische Kommission begründet, deren erster Präsident Leopold von Ranke wurde. Vornehmste Aufgabe dieser Kommission wurde das Studium und die Evaluation politischer Akten. Mit der 1859 begründeten "Historischen Zeitschrift" -- dem bis heute führenden Sprachrohr der Geschichtswissenschaft im deutschen Sprachraum -- sollte auch die politische Publizistik ein bedeutsames Forum gewinnen.

In der Staatswissenschaftlichen Fakultät lenkte Wilhelm Heinrich Riehl mit seiner "Bavaria" die Aufmerksamkeit der politisch Interessierten von den Hauptakteuren der Politik auf das Volk - auf die Gesellschaft und Staat tragenden Bürger also in ihrer sozialen Wirklichkeit. Die Juristische Fakultät zierte der Kommentator der deutschen Reichsverfassung von 1871, Max von Seydel, von dem zumindest indirekt auch politische Impulse ausgingen. In der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts war es dann vor allem der - während der nationalsozialistischen Ära im St. Gallener Exil lehrende - Verfassungsrechtler Hans Nawiasky, der über den Tellerrand einer rein normativistisch arbeitenden Rechtswissenschaft hinaussah. Nawiasky gilt neben Wilhelm Hoegner als Schöpfer der Bayerischen Verfassung von 1946. Nawiasky wurde auch zum Gründer des in der Juristischen Fakultät angesiedelten "Institut(es) für Öffentliches Recht und Politik", das allerdings in der Folge keine spezifisch politikwissenschaftliche Weiterentwicklung erfahren sollte.

Eine politikwissenschaftliche Dimension zeigt auch das Werk des - liberal gesinnten -Wirtschaftswissenschaftlers Lujo Brentano, dem nicht zuletzt die Gewerkschaften und der Ausgleich der Sozialpartner am Herzen lagen. Seinem Nachfolger Max Weber, einem der scharfsinnigsten Soziologen, Wirtschaftshistoriker und politischen Publizisten der deutschen Universitätsgeschichte, war nur noch ein Münchner "Lehr-Jahr" vor seinem Tod vergönnt. Mit seinen bahnbrechenden Arbeiten zur Politischen Soziologie und zur Rechtssoziologie hat sich Max Weber einen respektablen Platz auch in der Ahnengalerie der Politikwissenschaft gesichert. Ein um so längeres Wirken war dagegen dem 1882 an die Philosophische Fakultät berufenen Georg von Hertling beschieden, der als Philosoph zahlreiche sozialwissenschaftliche Arbeiten zu Gegenwartsfragen veröffentlichte. Im Jahre 1909 wurde Hertling Vorsitzender der Zentrumsfraktion im Reichstag, im Jahre 1917 preußischer Ministerpräsident und Reichskanzler - als solcher der vorletzte des Kaiserreiches.

Für die politikwissenschaftlich orientierte neuere Geschichte sind zu nennen Karl Theodor von Heigel und seine Nachfolger Erich Marcks, Hermann Onken und Arnold Oskar Meyer, die alle über Bismarck arbeiteten, des weiteren Siegmund von Riezler und sein Nachfolger Michael Doeberl auf dem 1898 geschaffenen Lehrstuhl für Bayerische Geschichte. Als Meister der politischen Geschichtsschreibung setzten sich beide intensiv mit Gegenwartsfragen auseinander. So nahm bei den Münchner Historikern, zu deren Füßen auch eine Reihe im Dritten Reich zu unrühmlicher Prominenz aufgestiegener Persönlichkeiten saßen, nicht zuletzt auch die Beschäftigung mit den politischen Konsequenzen der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg breiten Raum ein. Die nach dem Übergang zur parlamentarischen Demokratie im öffentlichen Bewusstsein gestiegene Bedeutung der Presse führte im Jahre 1924 - nahezu 100 Jahre nach der ersten Münchner Vorlesung über Zeitungswesen - zur Gründung des ersten deutschen Lehrstuhls für Zeitungswissenschaft an der Universität München. Auf diesen Lehrstuhl berufen wurde Karl d'Ester, der zum Begründer einer besonderen Münchner Schule der Zeitungswissenschaft werden sollte.

Für die im kontinentalen Traditionsstrom stehende ältere deutsche Politikwissenschaft war das "Denken aus dem Staat" charakteristisch, war der Staat Angelpunkt der wissenschaftlichen Reflektion. Der Ort ihrer Organisation waren daher zunächst auch die Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultäten. Die sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts anbahnende und nach dem Ende des Ersten Weltkrieges weiter verstärkende Erschütterung des bürgerlichen Rechts- und Nationalstaates führte dann zur Ausbildung der spezifischen Sozialwissenschaften, deren Charakteristikum die Verschiebung der Blickrichtung von den Zielen zu den Gründen und Hintergründen des politischen Verhaltens sowie auch die Bemühung um eine Steigerung der methodischen Schärfe und der empirischen Aussagekraft war. Die Frankfurter Schule der Zwischenkriegszeit orientierte sich an der marxistischen Lehre und entwickelte eine kritische Sozialwissenschaft mit entsprechender Blickrichtung. Für die Ideologen des Dritten Reiches aber waren Soziologie und Politikwissenschaft - ob marxistisch oder traditionell-konservativ - zersetzende Wissenschaften, deren analytisches Potential dem völkischen Gedanken als dem geistigen Fundament des neuen Reiches zu schaden drohte und daher bekämpft werden musste. Zahlreiche Sozialwissenschaftler wurden in die Emigration getrieben, aus der nach dem Zweiten Weltkrieg nur ein kleiner Teil wieder nach Deutschland zurückkehren sollte.nach oben

Die Wiederbegründung der Politikwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg

Auch die "Münchner Schule" - wenn man die normativ orientierte Politikwissenschaft an der Universität München nach dem Zweiten Weltkrieg so bezeichnen will - wurde von dem Emigranten Eric Voegelin geprägt. Wie so manche andere Gründer der Politikwissenschaft in Deutschland hatte auch Eric Voegelin das Dritte Reich in den USA überlebt, und er war deshalb auch in besonderem Maße geeignet, die von den USA ausgehenden, im Zeichen einer "Reeducation" stehenden Impulse zur Förderung der - nunmehr weithin als Demokratiewissenschaft verstandenen - Politikwissenschaft in Forschung und Lehre umzusetzen und weiterzugeben. Derartige Impulse zu geben waren die USA nicht zuletzt deshalb prädestiniert, weil sich die Politikwissenschaft im angelsächsischen Raum und Einflussbereich kontinuierlich von der naturrechtlichen Vertragstheorie zur Lehre vom Verfassungsstaat gewandelt hatte, was man für die kontinentaleuropäische Entwicklung nicht behaupten kann. Der im angelsächsischen Sinne zur Demokratiewissenschaft gewordenen Politikwissenschaft war daher auch eine pädagogische Aufgabe zugedacht. Politische Bildung im Sinne der Förderung demokratischen Bewusstseins war in der Weimarer Zeit in den Anfängen steckengeblieben. Und dies, obwohl Staatsbürgerkunde gemäß Art. 148 der Weimarer Reichsverfassung als ordentliches Lehrfach im Lehrplan der deutschen Schulen verankert worden war. Auch die im 19. Jahrhundert unterbrochene Tradition der politischen Lehrstühle wurde in der Weimarer Zeit nicht wieder aufgenommen, wenn man von der damaligen Berliner Hochschule für Politik mit ihrer besonderen Funktion einmal absieht. Dass die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg die Begründung der deutschen Lehreinrichtungen für Politische Wissenschaft und Politische (Erwachsenen-)Bildung nachdrücklichst forderten, wird auch unter diesem Aspekt verständlich.

Schon im Jahre 1950 wurde die Münchner Hochschule für Politik gegründet. Im Haushalt des Freistaates Bayern für das Jahr 1956 wurde dann von der Regierung Hoegner, einer Koalition aus SPD, FDP, BP und GB/BHE, der erste Münchner Lehrstuhl für Politische Wissenschaft - und dies in der Staatswirtschaftlichen Fakultät - ausgewiesen. Noch im selben Jahr wurde - nunmehr von einer Regierungskoalition unter Führung der CSU - das erste bayerische Lehrerbildungsgesetz verabschiedet. An der Pädagogischen Hochschule München-Pasing, die der Philosophischen Fakultät der Universität angeschlossen war, wurden bald kurz hintereinander zwei Lehrstühle für Politik eingerichtet. Mit der Berufung Eric Voegelins im Jahre 1958 beginnt die Geschichte des Münchner "Institut(es) für Politische Wissenschaft", das seit dem 30.1.1968 auf Anregung Gottfried-Karl Kindermanns als "Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft der Universität München" zeichnet. Eric Voegelin, in Wien habilitiert, musste Österreich im Jahre 1938 verlassen und lehrte dann an amerikanischen Universitäten. Dank seiner internationalen Verbindungen gelang es Voegelin, für den Aufbau des Instituts (das zunächst in der Theresienstraße 3-5 Aufnahme gefunden hatte) deutsche und amerikanische Stiftungsmittel zu gewinnen sowie auch bedeutende ausländische Gelehrte zu Gastvorträgen und Gastvorlesungen einzuladen. Aufgrund dieser Leistungen gewann das Institut nach und nach eine Sonderstellung, die auch dazu angetan war, das Verhältnis zwischen dem akademischen Lehrer Voegelin und seinen Schülern zu verdichten. Hinzu kam das Bewusstsein, an der Etablierung eines - gemessen an der jüngsten Universitätsgeschichte - "neuen Faches" mitzuwirken, dessen geisteswissenschaftlicher Zugriff weit über den Forschungsradius der Disziplinen hinausreichte, innerhalb dessen die Beschäftigung mit Teilaspekten des Politischen bisher angesiedelt war - , eines Faches, das im Rückblick auf die griechisch-römische Klassik und ihre geistigen Erben auf eine überaus noble Ahnenkette verweisen konnte.

Von der neuen Linken als spätbürgerlich-konservativ oder gar reaktionär abgetan, leiteten den Remigranten Eric Voegelin (wie übrigens auch den Remigranten Arnold Bergstraesser, dessen Freiburger Schüler später auf Münchner Professuren rücken sollten) ganz andere Vorstellungen als die - ebenfalls von Remigranten geprägte - Frankfurter Schule. Voegelin ging es um die Rekonstruktion der Politikwissenschaft als normativer Ordnungswissenschaft, die ihren Kurs zwischen positivistischen Wertfreiheits- und marxistischen Wertbindungslehren zu finden suchte. Aus unmittelbarer eigener Erfahrung von den Vorzügen des amerikanischen Department-Systems überzeugt, bemühte sich Voegelin von Anfang an um die Durchsetzung einer dynamischen Personalstruktur, die interdisziplinäres Arbeiten ermöglichen und die Politikwissenschaft in den Rang einer echten Integrationswissenschaft erheben sollte. So sammelte Voegelin in den folgenden Jahren Schüler verschiedener Fachrichtungen um sich, mit denen er an der Verwirklichung dieses Zieles arbeitete. So universal Voegelins Konzept auch angelegt war - es erregte nicht nur Bewunderung: Pragmatiker vermissten insbesondere die umfassende Wahrnehmung des pädagogischen Auftrags. Schon im Oktober 1959 vermerkte der Leiter der Hochschulabteilung im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, dass angesichts der vorwiegend geistesgeschichtlichen Orientierung Voegelins für die Betreuung der Sozialkundelehrer ein zweiter Lehrstuhl für Politische Wissenschaft dringend geboten sei. Auf diesen Lehrstuhl wurde dann 1962 der Bergstraesser-Schüler Hans Maier berufen.

Zusammen mit den Soziologen bezogen die Politikwissenschaftler im Jahre 1963 das Haus Konradstraße 6. Im Anschluss, in Ergänzung und in der Auseinandersetzung mit dem Voegelinschen Basiskonzept wurden seit 1964 von Hans Maier Pläne für ein Münchner Zentrum der politikwissenschaftlichen Forschung und Lehre entwickelt. Auftrieb erhielten diese Bestrebungen nicht zuletzt auch durch die Bemühungen der Hochschule für Politik (die erst 1970 zu institutioneller Selbständigkeit und 1981 zum Körperschaftsstatus gelangen sollte) um ihre volle Akademisierung. Im März 1965 wurde schließlich der Durchbruch erzielt, als Kultusminister Ludwig Huber in seiner Haushaltsrede die Schaffung neuer Lehrstühle und den Ausbau der Hochschule für Politik zu einer echten wissenschaftlichen Hochschule in Aussicht stellte. Im darauffolgenden Jahr wurden diese Ankündigungen in dichter Folge verwirklicht. An die Pädagogische Hochschule Pasing (die der Universität 1972 als Erziehungswissenschaftliche Fakultät eingegliedert werden sollte) wurden 1966 Franz Schneider und 1968 Paul Noack berufen. Den ersten deutschen Lehrstuhl für Internationale Politik erhielt 1967 Gottfried-Karl Kindermann, den Lehrstuhl für Politische Theorie und Philosophie der aus den USA kommende Nikolaus Lobkowicz. Aus dem von Studentenunruhen geschüttelten Berliner Otto-Suhr-Institut kam Kurt Sontheimer (1968/69), aus der Juristischen Fakultät der Universität Mainz der Rechts- und Politikwissenschaftler Peter Cornelius Mayer-Tasch (1971) an das Geschwister-Scholl-Institut. Weitere Professuren übernahmen der Föderalismus-Experte Heinz Laufer (1969), der auf das Verhältnis von Politik und Wirtschaft spezialisierte Dieter Grosser (1974) sowie der Voegelin-Schüler und Dritte-Welt-Forscher Peter Joachim Opitz (1977). Auf den Lehrstuhl Voegelin wurde 1974 Peter Christian Ludz berufen. Der Sozial- und Wirtschaftshistoriker Wolfgang Zorn wurde dem Institut nach der Neuordnung der Universität im Jahre 1974 eingegliedert. Für den bereits 1969 berufenen Direktor der Tutzinger Akademie für Politische Bildung, Manfred Hättich, blieb die Übernahme einer Professur ein administratives Zwischenspiel. Eine für das Geschwister-Scholl-Institut besonders erfreuliche Entwicklung aber leitete die - nach dem frühen Tod von Peter Christian Ludz unter dem Damoklesschwert des Stelleneinzuges vollzogene - Umwandlung des ehemaligen Voegelin-Lehrstuhles in eine Eric-Voegelin-Gastprofessur ein. Die Begründung dieser wenigstens periodischen Gastprofessur ermöglichte es dem Institut, seine Studenten mit ausländischen Gelehrten von Rang bekannt zu machen.

Mit dem Inkrafttreten des Bayerischen Hochschulgesetzes am 01.10.1974 wurden aus den 15 Fakultäten der Universität München 21 Fachbereiche. Neu geschaffen wurde auch der Sozialwissenschaftliche Fachbereich, der seit 1979 (wieder) als Sozialwissenschaftliche Fakultät firmiert. In dieser Fakultät, in der auch die Soziologen, die Kommunikationswissenschaftler und die Amerikanisten ihren akademischen Bezugsraum fanden und die auch die Verantwortung für die Vergabe des Diploms der Hochschule für Politik übernahm, wurden alle politikwissenschaftlichen Professuren aus der Staatswirtschaftlichen, Philosophischen und Erziehungswissenschaftlichen Fakultät zusammengefasst. Das - seit dem Wintersemester 1968/69 in der Ludwigstr. 10 beheimatete - Geschwister-Scholl-Institut wurde mithin aus einem interfakultativen zu einem Fakultätsinstitut.

Im Zuge der Universitäts-, Fakultäts- und Institutsreform wurden Forschung und Lehre am Geschwister-Scholl-Institut kontinuierlich vertieft und ausgeweitet. Die überkommene Trias von Politischer Theorie, Politischer Systemlehre (einschließlich vergleichender Regierungslehre) und Internationaler Politik wurde ergänzt und aufgefächert. Ein besonderer Schwerpunkt wurde in der Ostasien- und Dritte-Welt-Forschung gesetzt. Politische Rechtslehre, Politische Wirtschaftslehre, Politische Kommunikation, Didaktik der Sozialkunde, Gender Studies und die Betreuung der Rechtsausbildung für Sozialwissenschaftler wurden weitere Schwerpunkten der Arbeit. Mit der Entwicklung der "Forschungsstelle Dritte Welt" und der "Forschungsstelle für Politische Ökologie" wurde versucht, drängenden Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden.

Durch eine gezielte Berufungspolitik wurde in den Jahren 1991 und 1995 mit der Berufung von Margareta Mommsen die Osteuropaforschung und Politische Erforschung der Geschlechterbeziehungen, mit der Berufung von Werner Weidenfeld und Friedrich Kratochwil die Europa- und die Transatlantikforschung zu weiteren Schwerpunkten ausgebaut. Henning Ottmann übernahm den Lehrstuhl seines Lehrers Lobkowicz.nach oben

Das neue Haus

Im Herbst 1996 ist das Geschwister-Scholl-Institut von der Ludwigstraße 10 an den Englischen Garten umgezogen. Das Gebäude in der Oettingenstraße 67, das außer dem politikwissenschaftlichen noch einige weitere Institute beherbergt, ist, obwohl erst nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut, eines mit politischer "Tradition": Bis zu deren Umzug nach Prag beheimatete es die beiden ehemaligen CIA-Sender Radio Free Europe (RFE) und Radio Liberty (RL). Von der kalt-kriegerischen Vergangenheit zeugen neben den - für einen Hochschulbau unüblichen - hohen Mauern und Toren die noch verbliebenen Sicherheitskameras rund um das Areal.

Für Millionen Bürger der Ostblock-Staaten waren die Programme von RFE und RL die einzig erreichbare Informationsquelle aus der westlichen Welt. Den kommunistischen Machthabern ein Dorn im Auge, waren die beiden Sender Ziele massiver Störfunkversuche. Untersuchungen des amerikanischen State Department kamen zu dem Ergebnis, dass die Kosten für die Störversuche die Kosten, die für den Unterhalt der Sender aufgebracht werden mussten, bei weitem überstiegen. Zudem versuchten - teilweise erfolgreich - die Geheimdienste der Warschauer-Pakt-Staaten auch, Journalisten in die beiden Sender einzuschleusen. Mitte der achtziger Jahre konnten mehrere tschechische und polnische Spione enttarnt werden. Hinzu kamen Attentate auf den Gebäudekomplex: Am 21. Februar 1981 wurden bei einer Bombenexplosion acht Menschen verletzt und Teile des Gebäudes zerstört.nach oben

Steigende Studierendenzahlen und personelle Veränderungen

Ein schwer lösbares Problem, mit dem das Geschwister-Scholl-Institut seit geraumer Zeit zu kämpfen hat, sind die hohen Studierendenenzahlen. Bis Mitte der 70er Jahre standen die Lehramtskandidaten für Sozialkunde im Mittelpunkt der Lehre. Ihren Höhepunkt erreichte die Studentenzahl in diesem Studiengang mit etwas über 1500 Immatrikulierten im Jahre 1975. Waren im Jahre 1975 nur 633 Studenten mit dem Hauptfach Politikwissenschaft in diesem Studiengang immatrikuliert, so stieg diese Zahl im Wintersemester 1990/91 auf nicht weniger als 2780 Studierende. Auch heute studieren weit über 2000 Studentinnen und Studenten am Geschwister-Scholl-Institut. Und dies umso mehr als das Institut im Zuge der sich ständig verstärkenden Sparzwänge drei Professuren verloren hat und seit dem Tod seines langjährigen Dekans Heinz Laufer im Frühjahr 1996 sein Forschungs- und Lehrpensum mit sieben Professuren zu bewältigen hatte.

Im Jahr 2003 stand der Lehr- und Forschungsbetrieb am Geschwister-Scholl-Institut vor großen Herausforderungen, da Margareta Mommsen, Peter Cornelius Mayer-Tasch und Peter Joachim Opitz das Institut verlassen haben. Die C3-Professur für Politische Theorie und Internationale Beziehungen, die Opitz seit 1977 inne hatte, fiel nach dessen Emeritierung den Stellenkürzungen an den bayerischen Universitäten durch die Staatsregierung zum Opfer. Ebenso von den Einsparungen betroffen war die Eric-Voegelin-Gastprofessur der Sozialwissenschaftlichen Fakultät. Durch diese Einschnitte geriet das Institut vorübergehend in eine personelle Notlage und war sogar von der Schließung bedroht.

Durch die Berufung von Julian Nida-Rümelin als Nachfolger von Peter Cornelius Mayer-Tasch auf dem Lehrstuhl für Politische Theorie und Philosophie, die Besetzung der C3-Professur für Politische Systeme mit dem Schwerpunkt Transitionssysteme unter besonderer Berücksichtigung der Staaten Ost- und Südosteuropas sowie der Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR mit Petra Stykow und die Einrichtung einer neuen Professur für empirische Politikforschung und Politikfeldanalyse, für die Uwe Wagschal einen Ruf erhielt, gelang dem Geschwister-Scholl-Institut im Jahr 2004 ein Neubeginn in Lehre und Forschung.

Für einen Forschungsaufenthalt am renommierten European University Institute in Florenz wurde der langjährige Ordinarius für Internationale Politik Friedrich Kratochwil 2005 vom Institut beurlaubt, der Sicherheitspolitik- und Konfliktursachenforscher Christopher Daase übernahm den Lehrstuhl.

Im Rahmen der Exzellenz-Initiative der Ludwig-Maximilians-Universtität wurde die C4-Professur für Politische Theorie und Philosophie eingezogen, so dass sie mit der Emeritierung von Henning Ottmann im Jahr 2009 nicht wiederbesetzt werden kann.nach oben

Neue Wege in Forschung und Lehre

Seit 2008 formuliert das Geschwister-Scholl-Institut seine Forschungsschwerpunkte in Form einer Zentrenbildung neu: das Munich Center on Governance, Communication, Public Policy and Law (MCG) sowie das aus dem Voegelin-Archiv hervorgegangene Voeglin Zentrum für Politik, Kultur und Religion erweitern neben dem etablierten Centrum für Angewandte Politikforschung (C.A.P) das wissenschaftliche Spektrum.

Im Jahr 2009 begann ein größerer Umstrukturierungsprozess. Die seit sechs Jahren bestehende C3-Professur für „Empirische Politikforschung und Policy Analysis“ wurde zu einem W3-Lehrstuhl aufgewertet und mit Paul W. Thurner besetzt, der unter anderem die empirische Methodenausbildung am Institut verantwortet. Julian Nida-Rümelin wechselte an die Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft der LMU, Christopher Daase nahm einen Ruf an die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main an. Der – nunmehr einzige – Lehrstuhl für Politische Theorie wurde zum Sommersemester 2010 durch Karsten Fischer besetzt. Die Nachfolge von Christopher Daase trat im Jahr 2011 Berthold Rittberger an, der von der Universität Mannheim gewonnen werden konnte. Seit April 2009 besetzt Bernhard Zangl, vorher am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien der Universität Bremen, die aus dem LMU innovativ-Prozess hervorgegangene neue W3-Professur für Global Governance und Public Policy. Zum Wintersemester 2009/2010 entstand eine weitere W3-Professur mit dem Schwerpunkt „Empirische Theorien der Politik“, die zum Sommersemester 2014 durch Christoph Knill von der Universität Konstanz übernommen wird. Im Jahr 2013 schied der langjährige Lehrstuhlinhaber für „Politische Systeme und Europäische Einigung“ und Direktor des weiterhin eng mit dem GSI verbundenen „Centrums für angewandte Politikforschung“, Werner Weidenfeld, aus. Direkt im Anschluss konnte der Lehrstuhl mit Klaus H. Goetz, bisher Universität Potsdam, wieder besetzt werden. Diese Veränderungen ermöglichen es dem Institut, sein Forschungsprofil zu schärfen und auf steigende Studierendenzahlen zu reagieren.

Durch die Umsetzung des Bologna-Prozesses, die zur Einführung des Bachelorstudiengangs Politikwissenschaft geführt hat, wird seit dem Wintersemester 2008/2009 auch der Bereich der Lehre durch die Modularisierung weiter entwickelt. Die Konzeption des Bachelorstudiengangs sowie des im Jahr 2011 eingeführten Masterstudiengangs Politikwissenschaft ist eng mit der Neustrukturierung und den neuen Lehrstuhl-Denominationen abgestimmt und verknüpft, die dem Geschwister-Scholl-Institut nach über 50jährigem Bestehen den Weg in die Zukunft weisen.nach oben